Sioux Montana Ranch


Im linksrheinischen Rheinhausen - seit 1975 ein Stadtteil von Duisburg - gab es wohl etwas einmaliges: die Sioux Montana Ranch. Erich Wiesner, der immer Cowboy werden und in die USA auswandern wollte, holte sich Amerika nach Hause und baute ab 1960 hier eine Westernstadt komplett und originalgetreu nach. Wenn man durch das Eingangstor trat und den Galgen passiert hatte glaubte man, in einer anderen Welt zu sein.

 

Auf der Hauptstraße sah man zunächst die Kirche, in der viele Kinder getauft und Ehen geschlossen wurden. Danach ging man vorbei an Läden, Spielhalle, Hufschmiede, Bank, Schule oder sogar einer Whisky-Brennerei. Folgte man dem Weg, kam man an den Tieren vorbei, von denen es hier natürlich, wie im richtigen Cowboy-Leben auch, eine Menge gab. Nicht nur Pferde hatten hier freien Auslauf, sondern beispielsweise auch Ziegen und Schafe. 

 

Am Ende der Straße kam man dann zu einem großen Platz, auf dem sich im Sommer das Leben abspielte. Neben weiteren Läden bildete vor allem der Saloon den Mittelpunkt, denn hier wurde Countrymusik gespielt, ein Bier getrunken und den Peitschenschwingern zugesehen. Und wenn dann noch ein Pferd hineinkam und sich ein Leckerchen an der Bar abholte, dann glaubte der eine oder andere doch schon mal, zu tief ins Glas gesehen zu haben.

 

Man durfte auch nicht versäumen, sich von Erich Wiesner sein Western-Museum zeigen zu lassen. In seinen Schätzen fand man wohl alles, was es im Wilden Westen gab, aber auch andere Mitbringsel aus den Vereinigten Staaten. Er zeigte es gern und erfreute sich daran.

 

Nach mehreren Operationen und aus Altersgründen musste sich Erich Wiesner von der Bewirtschaftung der Ranch zurückziehen. Er hatte auch bereits einen Nachfolger gefunden. Bei einer Begehung des Geländes der Montana-Ranch verhängte dann allerdings das Duisburger Bauordnungsamt im Jahre 2011 eine sofortige Nutzungsuntersagung. Grund war das leicht entflammbare Material der Hütten und Häuser. Deshalb wurden ab sofort Veranstaltungen aller Art auf der Ranch untersagt. Nicht einmal die Abschiedsfeier für Erich Wiesner konnte noch durchgeführt werden.

 

Um das Lebenswerk von Erich und Irma Wiesner für die Allgemeinheit zu erhalten wurde eine Initiative gegründet, die Gespräche mit der Stadt und möglichen Investoren führen sollte. Diese Initiative war aber leider nicht erfolgreich. Im Jahr 2012 wurde die Ranch abgerissen. Lediglich die Kirche und natürlich das Wohnhaus der Wiesners blieben erhalten.

 

So starb der Traum von Erich "Fuzzy" Wiesner und auch er selbst starb nach langer Krankheit im Oktober 2017 mit 86 Jahren.



An der Wand des Saloons stand die Chronik des Sioux Montana Club Rheinhausen geschrieben:

 

1960 gründete Erich Wiesner mit einigen Freunden den Club zur Pflege des Brauchtums der roten Rasse.

1962 trat der Club mit einem Indianerlager an die Öffentlichkeit.

1965 Ab dieser Zeit fanden regelmäßig Veranstaltungen im Westernstil statt mit großer Beteiligung auswärtiger und ausländischer Clubs.

1966 gelang es dem Club, nach vielen Fehlschlägen, ein Gelände an der Parallelstraße zu pachten, um hier eine kleine Ranch aufzubauen.

1967 nach fast 1-jähriger Arbeit, wurde der „Golden Nugget Saloon“ eingeweiht. Nun hatte der Club endlich einen Versammlungsraum und einen Treffpunkt für das Clubleben. Die Ranch wurde vervollständigt durch weitere Gebäude.

1968 kamen Einbrecher und Brandstifter auf die Ranch. Mühsam aufgebaute Gebäude (Schmiede, Sheriffs Office und ein Teil des Materiallagers) fielen dem Brand zum Opfer.

1971 Das gepachtete Gelände wurde gekündigt.

1972 wurde mit dem Neuaufbau begonnen. Es war eine harte Zeit mit viel Arbeit.

1973 fand ein großes Freundschaftstreffen mit Rodeowettkämpfen auf dem neuen Clubgelände statt.

1974 Kinderfeste, Altennachmittage, Westernbälle und Tauschmeeting gehörten zum Programm des Clubs.

1975 Der letzte Bauabschnitt mit der großen Dancing Hall wurde fertiggestellt. Es fand ein großer Westernball statt.

1976 Höhepunkt im Clubleben war die Einweihung der Westernkirche in Verbindung mit einer Taufe.

1977 Das Ergebnis jahrelanger Arbeit wurde erneut durch einen Brand vernichtet. Der Club macht aber trotzdem weiter und freut sich über jede Hilfe beim Wiederaufbau.

1977 Im April: 250 m lange Wasserleitung ist schon wieder gebaut.

1978 Im April findet nach 6 Wochen harter Arbeit ein großes Westernfest zur Eröffnung des neuen Saloons statt.

1979 Im Mai gibt’s die erste Hochzeit in der eigenen Kirche: Häuptlingstochter Morgenröte und Holzfäller Starker Bär (Brunhilde und Bernhard Rubisch) heiraten.

1980 Im Mai werden beim Pfingsttreffen Glocke und Glockenturm von Kaplan Lehmbrock feierlich geweiht – mit auswärtigen und ausländischen Gästen. 30 englische „Nordstaatlersoldaten“ kamen als Überraschungsgäste.

1981 Oberstadtdirektor Krämer (Sheriff) und Kulturdezernent Schilling (Indianerhäuptling) empfangen die Presse auf der Ranch.

1982 Im März erleben 15.000 Besucher einer Großveranstaltung auf der Trabrennbahn Recklinghausen gleich zwei Attraktionen: Pierre Brice – in Zivil – und den Sioux Montana Club Rheinhausen mit seiner Western-Show – natürlich in vollem Indianerschmuck!

1983 Jugendaustausch Rheinhausen – County Durham: Im Juli findet auf der Ranch die große Welcome-Party für 21 jugendliche Gäste und ihre Gastfamilien statt.

1984 Deutsch-amerikanische Freundschaftswoche in Moers: Die Zuschauer begeistern sich besonders für die Darbietungen des Sioux Montana Clubs – Westernshow und Squaredance.

1985 Im November wird das 25-jährige Bestehen des Clubs mit zahlreichen Gästen groß gefeiert. Rheinhausens Altbürgermeister Johann Asch wird zum Ehrenmitglied ernannt. Als „Chief“ der Stadt half er entscheidend beim Finden des Clubgeländes.

1986 Im Januar werden die Gäste der Narrenzunft Homberg, 35 amerikanische Karnevalisten, am Flughafen Düsseldorf empfangen. In der Abfertigungshalle hoch zu Ross mit dabei: Erich, der Chief!

1987 Ein WDR-Kamerateam dreht im Oktober Westernszenen im Saloon für eine Hobbysendung. Echt tolle Westernatmosphäre!

1988 Im Juli feiert die Duisburger Werkstatt für Behinderte ihr alljährliches Sommerfest zum ersten Mal im „Wilden Westen“. Man erlebt zusammen mit den Hobby-Cowboys bei Spiel und Spaß einen fröhlichen Nachmittag. Im Oktober kommen die Journalisten aus Duisburg und dem Kreis Wesel mit Kind und Kegel, um ihr traditionelles Familienfest diesmal auf der Ranch zu feiern. Das Fest wird ein voller Erfolg!

1989 Im September lädt die CDU zum Familiensonntag mit Rita Süßmuth auf die Ranch. Chief Erich setzt die Bundestagspräsidentin am Rancheingang auf den Kutschbock und fährt mit ihr mitten in die Veranstaltung.

1990 OB Josef Krings wird im Oktober zum Ehrensheriff ernannt. Der Stern wird „Sheriff Jupp“ unter großem Beifall der Festbesucher angeheftet, stand er auch im Arbeitskampf der Rheinhauser immer mit an vorderster Front.

1991 Der Familientag zum 30-jährigen Bestehen beginnt mit einem gut besuchten Feldgottesdienst der Pfarrgemeinde St. Peter, deren Pfarrer heute als neues Ehrenmitglied begrüßt wird: Fritz Bösken.

1992 Bezirksvorsteher Hans Kleer wird am 19.8., seinem 70. Geburtstag, vom Chief zum Bezirks-Sheriff ernannt – mit Urkunde und Stern!

1993 Im Februar werden die California Funken, zu Gast bei einer Karnevalsgesellschaft in Kaßlerfeld, auf der Ranch echt western-like empfangen. Mit dabei war alles, was im Duisburger und Grafschafter Karneval Rang und Namen hat, dazu Gäste aus Belgien mit dem amtierenden Karnevalsprinzen von Ost-Flandern. Für die Gäste aus Huntington Beach gibt es ein großes Karnevalsfest im Saloon der Montana Ranch.

1994 Im Juli ist eine Kindergruppe aus Tschernobyl zu Gast in Rheinhausen. Ein Besuch der Ranch gehört natürlich dazu!

1995 Hoppeditz-Erwachen pünktlich am 11.11. um 11:11 Uhr! Doch diesmal entpuppt sich der Hoppeditz wahrhaftig als Frau! Irma Wiesner! Frauenpower ist angesagt.

1996 In der Essener Grugahalle läuft im August das 2. Country-Festival, draußen die große Trucker-Fete und eine Riesenshow. Da dürfen die Leute von der Montana Ranch nicht fehlen. Sie sind munter dabei, Fuzzy voran.

1997 Auch in diesem Jahr findet der traditionelle Westernmarkt am 1. Mai großen Zuspruch. Es gibt diesen Markt zweimal jährlich schon seit 35 Jahren. Kaufen, tauschen, handeln – die Westernfans kommen deshalb von weit her, auch aus Belgien und den Niederlanden. Hier gibt’s originale Westernware und das Erlebnis echter Westernatmosphäre.

1998 Im November findet ein Benefizkonzert für den schwerkranken Countrysänger Peter Best statt, unter anderem mit der Hitch Hiker Country Band.

1999 Zum „Independence Day“ am 4. Juli sendet der Deutschlandfunk anderthalb Stunden live vom fröhlichen Fest auf der Montana Ranch.

2000 40 Jahre Sioux Club Montana! Das wird groß gefeiert!

2007 STUDIO 47 dreht im Oktober einen großen Bericht über die Sioux Montana Ranch

2011 Im Juli Nutzungsuntersagung durch das Bauordnungsamt Duisburg wegen Brandgefahr.

Initiative 'Rettet die Montana-Ranch' durch Matthias Tilgner mit Online-Petition zum Erhalt der Ranch.

2012 Die Sioux Montana Ranch wird abgerissen. Nur das Wohnhaus und die Kirche bleiben stehen.

2017 Erich "Fuzzy" Wiesner stirbt nach langer Krankheit.